Wir veröffentlichen eine erste Skizze dieser Umbruchzeit, in der nicht nur der frühere Hofbäcker Otto Alban Kasper zuerst in einem Theater, dem Thalia-Theater in der Waldstraße Nr. 26, nicht nur Theater sondern eben auch Kinoprogramme spielte, in der zudem das Freiburger Unternehmen „Weltkinematograph“ im Herbst 1907 mit Aufführungen in Karlsruhe gastierte und bald zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für den lokal bestens basierten Ex-Hofbäcker wurde.

Jedenfalls verdient es der im Titel genannte Zeitraum, näher beleuchtet zu werden. Der Bau des Residenz-Theaters war zwar wichtig, ist aber nur ein Puzzleteil in einem Geschehen, das sich nicht nur schwer rekapitulieren lässt, weil die Recherche sich mühselig und zeitraubend gestaltet, sondern auch weil zuerst mal mit dem vorherrschenden und über Jahre fest verankerten, aber nicht und nie überprüften Geschichtsbildern aufgeräumt werden muss.

Wir versuchen, vor allem an Hand der veröffentlichen Anzeigen in den Karlsruher Zeitungen diesen Zeitraum etwas präziser zu verstehen.

Es gab also Filmvorführungen:

1) immer noch bei der zwei Mal jährlich stattfindenden Mess, dem Karlsruher Jahrmarkt. Gefunden haben wir aber nur Anzeigen für die Herbst-Mess. Unabhängig von den Terminen der Mess gastierten verschiedene Wanderkinos in Karlsruhe, z. B. die „Oceanic Vio Co.“ – trotz des Namens eine deutsche Firma. Auch die Freiburger Firma „Weltkinematograph“ war zuerst als Wanderkino in Karlsruhe, bevor sie dann ein ortsfestes Kino bezog – siehe unter 4).

2) Aufführungen im Thalia-Theater, Waldstraße 26

3) Aufführungen in dem im Dezember 1908 eröffneten Residenz-Theater, Waldstraße 30

4) Aufführungen der Firma Weltkinematograph im Eintracht-Saal (befand sich in der Karl-Friedrich-Straße) im November 1907; dann im Jahr 1908 in der Kaiserstraße 133. Was dieses Gebäude beherbergte, bevor dort ein Kino eingerichtet wurde, muss noch näher erforscht werden. Es ist das ältere Gebäude neben der Kleinen Kirche, in dem sich unten ein Eiscafé und etliche andere Läden befinden, während des Café Zero im 1. Stock im Januar 2020 geschlossen hat.

5) Aufführungen im Apollo-Theater und im Colosseum, einem der führenden Varieté-Theater der Stadt Karlsruhe im ersten und zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

6) gelegentliche Aufführungen z. B. im Hotel Nowack, Erbprinzenstraße 3a  (Das Hotel existiert nicht mehr). Am gleichen Tag, an dem die obige Anzeige erschien, berichtete die Badische Presse auch im redaktionellen Teil über die Aufführungen der Freiburger Firma „Weltkinematograph“:

Badische Presse, Nr. 530, 14. November 1907, Mittagsausgabe

„Weltkinematograph G. m. b. H. Es wird uns geschrieben: Vom 17. November bis inkl. 25. November wird die Firma „Welt-Kinematograph“ im großen Eintrachtssaal einen Zyklus von kinematographischen Monstre-Vorstellungen veranstalten. Die Firma ist wohl das größte Unternehmen dieser Art, sie besitzt zahlreiche Institut, so in München, Köln, Nürnberg, Düsseldorf, St. Johann-Saarbrücken, Freiburg usw. und unterhält außerdem noch ausgedehnte und luxuriös ausgestattete Reisegeschäfte. Das Filmrepertoire, dem täglich Neuheiten zugeführt werden, hat allein einen Wert von über 100 000 M. Durch eigene Aufnahmen und internationale Verbindungen ist das Unternehmen in die Lage versetzt, dem Publikum stets die neuesten Sujets vorzusetzen. Die Projektion geschieht mittelst der vollkommensten Apparate auf eine Schirmfläche von ca. 70 Qm. Wo es der Charakter der einzelnen Sujets gestattet, werden dieselben von geschickter Hand mit akustischen Effekten unterstützt und wird dadurch eine große Illusion bei den Zuschauern hervorgerufen; auch durch ein eigenes, gut geschultes Wiener Künstler-Orchester werden die betr. Sujets jeweils entsprechend musikalisch begleitet. Die Firma ist bestrebt, alle Weltereignisse, ferner Weltreisen, Sportaufnahmen, belehrende Sujets, Militär-, Fotten- und religiöse Bilder, nebst Aufnahmen von lokalen Interessen im lebenden Bilde anzubieten. Feerien und Zauberbilder, sowie dramatische und humoristische Darstellungen sind zumeist koloriert und künstlerisch arrangiert. Sämtliche Darstellungen sind streng dezent. Als Neuheit bringt die Firma singende, sprechende und musizierende Photographien zur Vorführung. Diese Neuheit hat allerorts einen durchschlagenden Erfolg zu verzeichnen gehabt. Die Dauer der Vorstellungen beträgt 2 ½ bis 3 Stunden und enthält ein Programm zirka 20 Nummern.“

Ortographie und Fettdruck wie im Original.

Erstaunlich ist die Länge einer einzelnen Veranstaltung: 2,5 bis 3 Stunden; im Thalia- bzw. dann Residenz-Theater waren sie meistens kürzer. Das ergibt sich aus einzelnen Anzeigen. Heutzutage würde die Vorführung von ca. 20 Kurzfilmen unterschiedlicher Sujets viele Zuschauer und Zuschauerinnen eher überfordern. Allerdings hatten die „Kuratoren“ des Frühen Kinos relativ schnell eine bestimmte Abfolge von Genres entwickelt, so dass es einen bestimmten dramaturgischen Ablauf gab. Trotzdem war es wohl vor allem die Länge, die diese Filmvorführungen zu „Monstre-Vorstellungen“ machte; Horrorfilme gab es entsprechend unserem Verständnis damals nicht.
Wir möchten noch darauf hinweisen, dass sich die meisten Filmtitel der Aufführungen des Weltkinematographen auch in der German Early Cinema Data Base nachweisen lassen, während andere (Wander-)Kinos in Karlsruhe die Filmtitel oft sehr großzügig nach eigenem Gusto änderten.

1) Filmvorführungen während der Mess, dem Karlsruher Jahrmarkt, und weitere Aufführungen von Wander-Kinos in Karlsruhe