Revolution! Kino in deutscher Umbruchzeit

Dienstag, 4. 2. 2020 – 19.30 Uhr
Eröffnung / Stephansaal, Ständehausstraße 4

[Die bolschewistischen Greuel vom 21. 8. 1919 oder Kiews Schreckenstage]

Deutschland 1919, 12 min.

Eines der sehr seltenen Dokumente der von der sowjetischen politischen Polizei, der sog. Cheka, begangenen Greuel während des beginnenden Bürgerkriegs in Russland, der Ukraine und weiterer Provinzen des ehemaligen zaristischen Russlands.

Das Cabinet des Dr. Caligari

Deutschland 1919/20,    78 min.

Regie: Robert Wiene

Die Welt steht Kopf! In einer psychiatrischen Anstalt glaubt ein Insasse, im Chefarzt jenen unheimlichen Dr. Caligari wiederzuerkennen, der eines Tages in seinem Heimatstädtchen aufgetaucht war – als Jahrmarktschreier. In der Rückblende wird erzählt, wie das Medium des Dr. Caligari Verbrechen beging, denen auch die Braut des Anstaltsinsassen zum Opfer fiel. Traumatisiert kommt er in die Anstalt, wo er dann dem Chefarzt begegnet. Wahn oder Wirklichkeit?
Die zeitgenössische Kritik war begeistert von diesem Film, der mit seinen gemalten Dekors den Filmexpressionismus begründete und eine Geschichte im Stil E.T.A. Hoffmanns erzählt, die sehr an dessen Novelle “Der Sandmann” erinnert.

Musikalische Begleitung des gesamten Programms: Stephen Horne (Klavier); Frank Bockius (Schlagzeug)

Das Cabinet des Dr. Caligari (Foto aus der digitalen Kopie)

 


 

Mittwoch, 5. 2. 2020 – 19.00 Uhr

Stephansaal, Ständehausstraße 4

Rose Bernd

Deutschland 1919, 84 min.

Regie: Alfred Halm

Musikalische Begleitung: Karlsruher Improvisationsensemble (Matthias Vogt, Klavier), Hartmut Nieder (Klarinette), Bhadra H. Nofer (Perkussion)

Die junge, attraktive und gleichzeitig herzensgute Rose Bernd (Henny Porten) ist hin- und hergetrieben zwischen mehreren Männern. Während einer von ihnen ganz traditionell bei ihrem Vater um ihre Hand anhält, hat sie heimliche Rendezvous mit einem anderen. Diese werden jedoch von einem Dritten beobachtet, der Rose Bernd daraufhin erpresst, und, als sie sich ihm nicht hingibt, vergewaltigt. Das bleibt nicht ohne Folgen, so dass wir das tragische Ende dieses Melodrams ahnen. So wie in Melodramen üblich, wird das eigentliche Problem nicht angesprochen: wie lässt sich das Schicksal der Mütter unehelicher Kinder (und auch deren) ändern?

Henny Porten und Alexander Wierth in „Rose Bernd“ von Alfred Halm

Mittwoch, 5. 2. 2020 – 21.00 Uhr

Die Heimkehr des Odysseus

Deutschland 1918, 52 min.

Regie: Rudolf Biebrach

Musikalische Begleitung: Reiko Emura (Klavier) und Shinichi Minami (Perkussion)

Im letzten Kriegsjahr, die deutschen Männer waren seit vier Jahren im Krieg, drehte Rudolf Biebrach mit Henny Porten in der Hauptrolle einen Film, der den wohlbekannten Stoff nach Oberbayern verlagerte und stark veränderte. Aus Odysseus, der sich zehn Jahre Zeit ließ, um aus dem Krieg zu seiner Frau zurückzukehren, ist ein von der Protagonistin zurückgewiesener Freier und Bergführer geworden. Sein Beruf war ihr zu gefährlich – worauf er verschwand. Nach langer Zeit muss sie sich unter der großen Anzahl der Freier entscheiden, als ein bärtiger Fremder auftaucht….

Henny Porten in „Die Heimkehr des Odysseus“ von Rudolf Biebrach

 


Donnerstag, 6. 2. 2020 – 19.00 Uhr
Studio 3, Kino der Kinemathek Karlsruhe

Mania. Die Geschichte einer Zigeunerin 

Deutschland 1918, 85 min.

Regie: Eugen Illés

Musikalische Begleitung: Stephen Horne (Klavier)

Pola Negri spielt eine Arbeiterin einer Zigarettenfabrik, was uns zwar sofort an „Carmen“ „erinnert“, aber „Carmen“ wurde erst unmittelbar nach „Mania“ gedreht. Dann nimmt die Handlung jedoch eine ganz andere Richtung; es wird keine romantische Amour-fou-Geschichte, sondern ein Melodram mit schlechtem Ausgang. Mania wird zufällig als Modell für eine Zigarettenwerbung entdeckt und lernt einen Komponisten kennen, der sich in sie verliebt. Allerdings gibt es da auch noch einen Kunstmäzen, der zwar wenig Aussichten bei Mania hat, aber eine geschickte Intrige gegen den Komponisten einfädelt und dann Mania erpresst. Das erträgt diese nicht.

Pola Negri (PR-Karte)

 


Donnerstag, 6. 2. 2020 – 21.00 Uhr
Studio 3, Kino der Kinemathek Karlsruhe

Alkohol

D 1918/19, 74 min.

Regie: E. A. Dupont

Musikalische Begleitung: Stephen Horne (Klavier)

Das Ende des 1. Weltkriegs, der Umsturz vom 9. November 1918 und die damit verbundene Abschaffung der Filmzensur ermöglichten es, dass bis dato zu gewagte und brisante Stoffe auf die Leinwand gebracht werden konnten. Hier geht es um die Folgen des Alkoholismus. Bei einem Karnevalsfest gesteht ein junger Mann seiner Braut, dass er der Sohn einer Alkoholikerin und eines Mörders ist. Er verlässt das Fest – und begegnet seinem aus dem Gefängnis geflohenen Vater. In Rückblenden erfährt man die Schicksale der Eltern des jungen Mannes, während die Gegenwart mit einem Brand beim Karnevalsfest einem spannenden Höhepunkt zusteuert.

Plakat von Joseph Fenneker

 

 


Freitag, 7. Februar 2020, 16.00 Uhr
Studio 3, Kino der  Kinemathek Karlsruhe

Genuine

Deutschland 1920, 57 min.
Regie: Robert Wiene
Musikalische Begleitung: Sabine Zimmer (Klavier)

„Genuine“ geht der Ruf voraus, dass Robert Wiene mit diesem Film vor allem ein Ziel verfolgte: den Erfolg von „Caligari“ wiederholen. Und wie so oft in der Filmgeschichte ging das gründlich schief. Deswegen wird der Film nur selten gezeigt, und das verbreitete Vorurteil haben nur wenige überprüfen können. Wir möchten im Kontext dieses Festivals dem Publikum die Möglichkeit eines direkten Vergleichs der beiden unmittelbar nacheinander entstandenen Filme bieten.
Zum Inhalt: Im Salon eines jungen und reichen Mannes hängt ein gewöhnlich verhülltes Bild, das eine junge rätselhafte Frau darstellt. Sobald der junge Mann das Bild betrachtet, verfällt er in wilde Fantasien. Die junge Frau ist die grausame Priesterin eines fremden Volkes, die in einem bizarren Haus von einem ebenso skurillen alten Mann gefangen gehalten wird.
Wie in „Caligari“ also eine Rahmenhandlung, innerhalb der eine zwischen Exotismus und Schauerromantik schwankende, reichlich überdrehte Geschichte erzählt wird, die kein gutes Ende nimmt. JJ

Plakat von Joseph Fenneker

 


Freitag, 7. Februar 2020, 19.00 Uhr
Studio 3, Kino der  Kinemathek Karlsruhe

Anna Müller-Lincke kandidiert

Deutschland 1919, 15 min.
Regie: Werner Sinn

Was man auf den ersten Blick für eine Satire halten könnte, ist tatsächlich ein didaktischer Film, der seinem Publikum gekonnt erklärt, wie demokratische Wahlen funktionieren und warum es wichtig ist, daran teilzunehmen. Das verbirgt er mittels einer unkomplizierten Handlung. Alle Mitglieder einer Familie möchten bei den anstehenden Wahlen kandidieren; allerdings in verschiedenen Parteien. Das führt zu allerlei Komplikationen.
Anna Müller-Lincke, die Frau des bekannten Berliner Operettenkomponisten Paul Lincke, war eine sehr populäre Theater- und Filmschauspielerin. Sie spielte vor allem in kurzen Komödien, von denen sich leider nur sehr wenige erhalten haben.

Musikalische Begleitung des gesamten Programms: Günter Buchwald (Klavier)

Anna Müller-Lincke
Söhne des Volkes (OT: Folkets ven)

Dänemark 1918,  83 min.
Regie: Holger-Madsen

Der Film des schon während der Kriegszeit sehr erfolgreichen Regisseurs Holger-Madsen schildert anhand des Schicksals dreier Brüder, die stellvertretend für die Sozialdemokratie, für die Kommunisten und für die Anarchisten stehen, die gesellschaftlichen Konflikte unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Während der Sozialdemokrat in hitzigen Parlamentsdebatten kämpft, beteiligt sich der Kommunist an gewaltsamen Aufständen und der anarchistische Bruder begeht ein mörderisches Attentat.
Zwei Superstars des dänischen Kinos, Gunnar Tolnaes und Lilly Jacobson, brillierten in den Hauptrollen, Massenszenen und Straßenkämpfe fesseln das Publikum.

 


Freitag 7. Februar 2020 – 21.30 Uhr
Studio 3, Kino der  Kinemathek Karlsruhe

Opium

Deutschland 1919,  91 min.
Regie: Robert Reinert

Musikalische Begleitung: Günter Buchwald (Klavier)

„Ein Aufklärungs-Film, der uns vor den schrecklichen Folgen jenes zerrüttenden Giftes eindringlich warnen will“ lesen wir in einer zeitgenössischen Kritik. Wir sehen die Lasterhöhlen Indiens und Chinas, die Traumphantasien der Opiumraucher, prächtige indische Feste, großartige Massenszenen, wilde Tiere des Urwalds … Die Figuren sind ein nach „Liebe dürstendes Weib“ (Hanna Ralph), vernachlässigt von ihrem Gatten, dem zwischen Leben und Wissenschaft hin- und hergerissenen Forscher, weiter der Assistent des Professors und Liebhaber seiner Gattin (Conrad Veidt), schließlich als Ober-Bösewicht Werner Krauss in der Rolle des chinesischen (!) Besitzers einer Opiumhöhle, und noch einige Figuren mehr, die die Geschichte mysteriös, undurchsichtig und spannend machen.

Hier ein Link zum Berlinale-Archiv, wo der Film 2018 gezeigt wurde: https://www.berlinale.de/de/archiv/jahresarchive/2018/02_programm_2018/02_filmdatenblatt_2018_201801954.html#tab=filmStills

Werner Krauß in: „Opium“
(Bei der Darstellerin links handelt es sich nicht um Hanna Ralph,
wie in der Programmbroschüre angegeben, JJ)
Foto: SDK, Berlin

Plakat von Theo Matejko (SDK Berlin)

 


Samstag, 8. Februar 2020 – 12. Uhr
Stephansaal, Ständehausstraße 4

Das Mädchen aus der Ackerstraße

Deutschland 1919/20,  87 min.

Regie: Reinhold Schünzel

Musikalische Begleitung: Andreas Benz (Klavier)

Die junge Ella leidet unter ihrem brutalen Stiefvater und muss auf der Straße Streichhölzer verkaufen. Eines Tages entflieht sie ihrem Elend und wird von einem Professor ohnmächtig aufgefunden. Er nimmt sie zu sich. Die Eltern dulden dies scheinbar, aber nur um den Professor bald zu erpresen. Es folgt eine Geschichte, wie sie von etlichen Filmen, u. a. auch „Tagebuch einer Verlorenen“ erzählt wird. Ella wird Opfer sexueller Gewalt; und eines Tages weiß der Professor keinen Ausweg mehr. Der Film ist eine frühe Regiearbeit Reinhold Schünzels, der auch als Darsteller mitwirkte. Sehr erfolgreich beim Publikum, wurden noch zwei Fortsetzungen gedreht.

Lilly Flohr und Reinhold Schünzel

 


Samstag, 8. Februar 2020, 15.00 Uhr
Stephansaal, Ständehausstraße 4

Hintertreppe 

Deutschland 1921,   54 Min.
Regie: Leopold Jessner (Spielleitung), Paul Leni (Bildgestaltung)

Musikalische Begleitung: Günter Buchwald (Klavier)

Ein expressionistisches Kammerspiel mit drei Hauptfiguren: Henny Porten als Dienstmädchen, Fritz Kortner als Briefträger und Wilhelm Dieterle als Bauhandwerker. Die Protagonisten leben am Rande der Gesellschaft, in den typischen Hinterhöfen Berlins, die eben, wie der Titel andeutet, nur über Hintertreppen erreichbar sind. Eine Kellerwohnung, der Platz des sprichwörtlichen sozialen Abstieges, ist der Schauplatz eines Eifersuchtsdramas, das die schlimmstmögliche Wendung nimmt. Paul Leni gestaltete die Bauten, die entscheidend zur düsteren Atmosphäre dieses Meisterwerks des expressionistischen Kinos beitragen.

Henny Porten und Wilhelm Dieterle

 


Samstag 8. Februar 2020 – 19.00 Uhr
Stephansaal, Ständehaustraße 4

Filmkonzert

Der General (OT: The General)

USA 1926, 78 min.
Regie: Buster Keaton, Clyde Bruckman

Musikalische Begleitung: Capella Obscura; Leitung und Komposition: Cornelia Brugger

Im Filmkonzert präsentieren wir diesen großen Klassiker der Filmgeschichte. Die Capella Obscura wird unter Leitung von Cornelia Brugger diese Vorführung sicher zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Wie immer wird es eine eigens von Cornelia Brugger komponierte bzw. arrangierte Musik geben.
Der Film spielt zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. Buster Keaton verkörpert den Lokomotivführer Johnnie Gray, dessen Lok von feindlichen Spionen des Nordens entführt worden ist. Johnnie Gray/Buster Keaton muss nicht nur die Lok zurückgewinnen, er will auch das Herz seiner Angebeteten erorbern. So sind Dramatik, Spannung und beste Unterhaltung garantiert.

 

russisches Plakat, Entwurf: Brüder Stenberg

Filmkonzert 8. 2. 2020 Buster Keaton „The General“

Link zum Video der Aufführung – Bitte hier klicken (https://vimeo.com)

 


Samstag 8. Februar 2020 – 21.00 Uhr
Stephansaal, Ständehausstraße 4

Festivalabschluss
Das Luxusweibchen

Deutschland 1919, 35 min.
Regie: Hans Bilrose

Bei diesem vollkommen unbekannten Film handelt es sich um eine kleine, aber sehr amüsante Komödie. Die Protagonistin ist die junge Käthe, die von ihrem Verlobten, einem Rechtsanwalt, für ein verwöhntes Luxusweibchen gehalten wird. Das ist ihr überhaupt nicht recht, und sie beschließt, ihrem Verlobten etwas ins „Handwerk zu pfuschen“. Der junge Rechtsanwalt hat drei Mandanten, drei Männer, die sich aus sehr unterschiedlichen Gründen von ihren Frauen scheiden lassen wollen. So will einer von ihnen die Scheidung, weil die Gattin zu den femininen Dadaisten (!) gegangen ist. Käthe versucht, den Männern die Scheidung auszureden. Ob sie damit Glück hat?

Inge Dolf als „Das Luxusweibchen“
 Der Grüne Vampyr

Deutschland 1918, ca. 45 min.
Regie: William Kahn

Mehr Detektiv- als Vampirfilm, stellt der Film eine Art Genre-Mix dar. Rat Anheim (Heinrich Peer), so der Name des Detektivs, ist ein typischer allwissender Meisterdetektiv im Stil von Sherlock Holmes. Rat Anheim muss hier eine Serie von mehreren Morden aufklären, die der geheimnisvolle „Grüne Vampyr“ verübt haben soll. Eine verwickelte Geschichte mit einem überraschenden Ende. Mehr verraten wir hier nicht. Es hat sich eine sehr schön viragierte 35mm-Kopie im Bundesarchiv erhalten.

Musikalische Begleitung des gesamten Programms: Sabine Zimmer (Klavier)